Mit Herz und Mund
Ursula Starke

Mit Herz und Mund

Mit Herz und Mund

Kinder singen ihren Glauben

Intro

Haben Sie schon einmal probiert, den Text eines Liedes zu rezitieren, ohne dabei von der dazugehörenden Melodie aus dem Takt gebracht zu werden? Also, ich kann das nur ganz schlecht, immer mogelt sich der Melodierhythmus in den Sprachfluss hinein. Der Text ist untrennbar mit der Musik verknüpft – mit dem Rhythmus, mit der Melodieführung, der Tonart und dem Tempo, mit der Stimmung. 

Dazu kommt dann noch meine Erinnerung an die Situation, in der ich das Lied kennen gelernt habe und mit wem ich es wann gesungen habe. Vielleicht hat meine Oma es mir leise vorgesungen, damit ich zur Ruhe kommen und einschlafen kann. Vielleicht war ich im Gottesdienst und habe dazu kräftig gestampft und begeistert geklatscht. 

Was ist Ihr Lieblingslied, was sind Ihre Lieblingslieder? An welches erinnern Sie sich besonders gerne? Was verbinden Sie mit diesem Lied?

„Das Singen ist die eigentliche Muttersprache aller Menschen: Denn sie ist die natürlichste und einfachste Weise, in der wir ungeteilt da sind und uns ganz mitteilen können mit all unsern Erfahrungen, Empfindungen und Hoffnungen.“1

1. Strophe

Kinder saugen alles Unbekannte auf und speichern es ab. Besonders in den ersten Lebensjahren entdecken und lernen sie so viel wie in späteren Zeiten nicht mehr. Sie entwickeln Vorlieben und Abneigungen und zeigen diese. Alles wird probiert, was sich in den Mund stecken lässt. Das, was heute ausgespuckt wird, schmeckt
in späteren Jahren oft ganz köstlich. Vielleicht hatten Sie als Kind die Vereinbarung mit Ihren Eltern, von unbekannten Lebensmitteln wenigstens einen Löffel voll zu probieren? Und erhielten dadurch die Möglichkeit, ihre Grenzen zu erweitern. 

„Wir achten so sehr darauf, was unsere Kinder in den Mund bekommen, aber nicht, was sie in die Ohren bekommen.“ So formuliert es Helene Dam, Pröpstin in Kopenhagen, und „Erfinderin“ des Baby-Psalmgesangs (in Deutschland oft unter dem Titel „Baby-Kirchen-Lieder“ bekannt), den sie 2002 gemeinsam mit Inge Marstal, Professorin für Musikpädagogik, in die Kirche, in den Kirchraum brachte. Natürlich singen die Babys nicht selbst, das übernehmen die Erwachsenen. Was aber auch die ganz Kleinen schon spüren, sind das Licht, die Akustik und die Stimmung des Kirchraums, verbunden mit der ungeteilten Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Eine geradezu „heilige Auszeit“, in der die Teilnehmenden eine starke Verbundenheit mit ihren Kindern spüren und sich selbst als Teil von etwas Größerem erleben.2

2. Strophe

Kinder singen nach, was sie hören und was sie kennen. Oft stellen sich dann Ohrwürmer ein, die immer wieder eingefordert werden. Das Lieblingslied in Dauerschleife: kein Problem, sondern pure Freude. Besonders im Kitaalter bilden sich solche Lieder heraus, auch wenn der Text nicht vollständig oder korrekt wiedergegeben wird. Sicherlich kennen Sie auch solche „Hörfehler“. In der Version einer Vierjährigen von „Ihr Kinderlein, kommet“ schwebte Josef den Engeln was vor. In ihrer Vorstellung war das schlüssiger als der jubelnde Chor der Engelein. 

In der Kita treffen viele Muttersprachen aufeinander. Verbindend sind dann Lieder mit lautmalerischen Texten, die alle mitsingen können oder Phantasiesprachen, für die alle dieselben Voraussetzungen haben: Niemand kann die Sprache sprechen! Wir singen miteinander und verbinden uns so für die Dauer des Singens. (Gemeinsames) Singen macht nicht nur Spaß, sondern vertreibt auch die Angst. Laut der Hirnforschungsergebnisse von Gerald Hüther ist es nämlich nicht möglich, gleichzeitig zu singen und Angst zu haben.3

Singen macht Spaß,
Singen macht stark.
Geht es rauf oder runter,
Singen macht uns munter.
Wenn wir miteinander singen,
hört mal her, wie schön wir klingen!4 

In dieser Entwicklungsphase werden die Worte und ihre Bedeutung immer bewusster und wichtiger. Die Kinder fragen: Wie sieht Gott aus? Wo ist die (verstorbene) Oma jetzt? Dann kann ein Lied eine Antwort geben oder einen Impuls zum Weiterdenken anbieten: Lieder, die von Gott erzählen. Lieder, die von Traurigkeiten singen und trösten. Lieder, die Mut machen und Lieder, die auf eine besondere Weise berühren.

Kinder wollen unterschiedliche Lieder kennenlernen, Lieder zum Mitwachsen und zum Reinwachsen. Nur das, was ich kennen lerne, kann ich aufnehmen und verinnerlichen, kann mich davon anregen lassen und eine Beziehung dazu entwickeln. Ich kann auf diese Lieder bei Bedarf zugreifen und sie in der jeweiligen Situation neu erleben: Es gibt Phasen, da ist meine Leibspeise über einen langen Zeitraum immer dieselbe, vielleicht Pfannkuchen. Und dann brauche ich wieder etwas anderes zu meiner Entwicklung, ein herzhaftes Vollkornbrot zum Beispiel. 

Durch ein vielfältiges Angebot erhalte ich die Möglichkeit, mein Lebensliedermenü zusammen zu stellen: Für traurige Zeiten, für überschäumende Freude, in Glücksmomenten, in Krisenzeiten … 

Liedbeispiele

  • „Bist du ein Haus aus dicken Steinen“
    Text: Reinhard Bäcker, Musik: Detlev Jöcker
    (in: Kommt und singt. Liederbuch für die Jugend)
  • „Komm, ich zeig dir was von Gott“
    Text: Katrin Rathmann-Rouwen, Musik: Ursula Starke
    (in: Beiheft zum Evangelischen Gesangbuch EGplus)
  • „Wunderbar hast du alles gemacht“
    Text und Musik: Ursula Starke (in: Menschenkinderlieder 3)
  • „Du Gott stützt mich“
    Text und Musik: Dorothea Schönhals-Schlaudt (in: Evangelisches Gesangbuch)
  • „Hundert Schafe“
    Text und Musik: Tanja Tahmassebi (in: Menschenkinderlieder 3)
  • „Sei behütet auf deinen Wegen“
    Text und Musik: Clemens Bittlinger (in: Menschenkinderlieder 3)
  • „Befiehl du deine Wege“
    Text: Paul Gerhardt, Musik: Bartholomäus Gesius 1603; bei Georg Philipp Telemann 1730
  • „Ich singe dir mit Herz und Mund“
    Text: Paul Gerhardt, Musik: Johann Crüger (in: Evangelisches Gesangbuch)
  • „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“
    Text: Joachim Neander, Musik: 17. Jh. (in: Evangelisches Gesangbuch)

3. Strophe

Wenn Kinder im Grundschulalter den Hits aus ihrer Kitazeit wieder begegnen, sind diese oft nicht mehr so sehr beliebt. Das sind doch Lieder für Babys, vor allem, wenn sie mit inzwischen kindisch gewordenen Bewegungen verbunden sind. Allerdings erlebe ich gerade ein Revival dieser Lieder in meinem Jugendchor. Bei „Sei behütet“ zum Beispiel werden die Teenager richtig munter, wenn sie die Bewegungen dazu verwenden und diese regelrecht feiern. Spannend wird es, wenn sich Erwachsene ihre Lieblingslieder wünschen können. In der Regel sind dies Lieder, die sie im Kindergottesdienst kennen gelernt, im Kinderchor einstudiert oder zur Gitarrenbegleitung am Lagerfeuer gesungen haben. Manchmal ist es eine Melodie, die nicht mehr aus dem Sinn ging. Manchmal eine Textzeile, die ein Echo erzeugt hat. Oder ein Liedruf, der im Rahmen einer Kinder-Bibel-Woche immer wieder gesungen wurde und so zum Ausgangspunkt für einen Taufspruch wurde.

Outro

Religiöse Lieder sind Schätze, die wir von klein auf sammeln und die uns ein Leben lang begleiten. Manchmal vergraben wir sie tief und vergessen sie. Ein bisschen kommt mir das vor wie bei den Nüssen, die von den Eichhörnchen als Reserve für die schlechten Zeiten versteckt und dann vergessen werden. Bei günstigen Bedingungen treiben sie aus und entwickeln sich zu einem Nussbaumsprössling. Vielleicht sind dies dann die Lieder, die uns in schwierigen Lebenssituationen oder auch am Lebensende wieder auf die Lippen kommen und uns Halt, Hoffnung und Trost geben. 

So verbinden wir uns singend mit den Menschen um uns, mit den Menschen, die das Lied zur Welt gebracht haben und mit allen, die es schon vor uns gesungen haben. Und nicht zuletzt verbinden wir dadurch unser Leben mit Gott.

Zugabe: Ideen für die Praxis

Sei behütet – Bewegungen von Ursula Starke

Diese Lied kann man entweder alleine oder zu zweit oder in kleinen Gruppen singen. Dann werden die Hände über den Kopf der Nebenstehenden gehalten oder die Finger spazieren auf den Armen der Mitmachenden oder ähnliches.

  • Takt 1+2: Die Hände segnend über den Kopf halten.
  • Takt 3+4: Zeige- und Mittelfinger einer Hand gehen auf dem Arm „spazieren“.
  • Takt 5+6: Die Hände segnend über den Kopf halten.
  • Takt 7+8: Den Kopf auf den zusammengelegten Händen zum Schlafen ablegen.
  • Takt 9+10: Die Hände beschreiben das Sonnenrund in der Luft.
  • Takt 11+12: Für die Stürme zappeln, für den Regen mit den Fingern wackeln.
  • Takt 13-16: Arme gen Himmel öffnen, in dieser Position verharren.
Wunderbar hast du alles gemacht – Gestaltungsideen von Katrin Pohl

Mit kleinen Veränderungen kann jedes Kind besungen werden: 

„Wunderbar, so wunderbar hast du alles gemacht, hast dir [Name des Kindes] ausgedacht, er/sie ist wunderbar, so wunderbar, Gott, wir danken dir dafür.“

Das Lied kann zum Beispiel als Danklied an Erntedank gesungen werden. Die Kinder tragen dann zusammen, für was sie Gott danken wollen, z.B. für die Sonne, den Regen, die Musik … und malen dazu Bilder. Die Bilder halten sie bei der entsprechenden Strophe hoch, damit alle sie sehen können. Damit kann auch eine Reihenfolge der Strophen festgelegt werden.

Einbindung der Gemeinde: Wer möchte, kann laut sagen, für was er/sie dankbar ist. Das wird dann spontan eingebaut und gesungen: 

„Wunderbar, so wunderbar hast du alles gemacht, hast dir Sonne/Regen/Musik … ausgedacht, das ist wunderbar, so wunderbar, Gott, wir danken dir dafür.“

Du Gott stützt mich – Bewegungen mit und ohne Anfassen von Ursula Starke

Aufstellung im Kreis, alle schauen sich an. Es soll möglich sein, die Nebenstehenden am Rücken zu berühren. Die Bewegungen können auch ohne Körperkontakt ausgeführt werden. Vielleicht ist es ja möglich, die Nebenstehenden trotz einer kleinen Entfernung zu spüren?

  • Takt 1: Die Hände auf den unteren Rücken der Nebenstehenden legen (die Unterstützung spüren).
  • Takt 2: Die Hände vom Rücken lösen, die Arme nach vorne führen und dort die Hände der Nebenstehenden fest fassen (sich gegenseitig Kraft geben).
  • Takt 3: Die Hände lösen und die Arme langsam nach oben führen (kann gerne bis zum Wort „Mut“ im folgenden Takt dauern), die Fingerspitzen führen die Bewegung zum Himmel fort (sich Gott entgegenstrecken).
  • Takt 4: Auf die Pause die Hände zu Fäusten ballen, die Arme mit Spannung nach unten ziehen und gleichzeitig kräftig auf „Ja“ ausatmen (das belebt und energetisiert). Das „Ja“ als Bestätigung der vorher gesungenen Gewissheiten und als Verbindung zu „Jahwe“ und „Halleluja“.
Ich singe dir mit Herz und Mund – Liedvermittlung von Ursula Starke

Dieser Zugang eignet sich besonders für Kinder im Grundschulalter. Die Reihenfolge der Erarbeitungsschritte ist beliebig, einzelne Teile können wiederholt oder auch weggelassen werden. Eine Anpassung an das Lerntempo der Gruppe ist sinnvoll. Nach einer Aufwärmübung wird zunächst die erste Strophe eingeprägt. 

  • „Ich singe dir mit Herz und Mund“: Die Fingerspitzen deuten auf den Mund und die geöffneten Hände tragen die Töne nach vorne weiter.
  • „Herr, meines Herzens Lust“: Beide Hände über Kreuz auf das Herz legen.
  • „Ich sing und mach auf Erden kund“: Mit beiden Armen einen großen (Erd)Kreis beschreiben.
  • ”was mir von dir bewusst.“: Sich voller Erkenntnis an die Stirn tippen.

Die sieben Fragen der Strophen vier bis sechs sind auf farbige A3-Blätter geschrieben, jeweils eine Frage pro Blatt, und liegen gut sichtbar auf dem Boden. […] Die Kinder suchen sich aus, zu welcher Frage sie ein Bild malen wollen. […] Die Kinder stellen sich in der richtigen Reihenfolge nebeneinander. Die Chorleitung singt die Strophen vier bis sechs und die Kinder halten die passenden Bilder hoch. 

Bei weiteren Durchgängen singen die Kinder mit, wobei die hochgehaltenen Bilder als Texthilfe dienen. Zuletzt wird die 7. Strophe eingeprägt: 

  • „Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir,“: In den Himmel zeigen.
  • „du, du musst alles tun,“: Die Hände kneten, sägen, streuen etc.
  • du hältst die Wach an unsrer Tür“: Die Arme über dem Bauch verschränken, selbstbewusst schauen.
  • „und lässt uns sicher ruhn.“: Den Kopf zur Seite auf die gefalteten Hände legen.
Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren – aus Baby-Kirchen-Lieder 2

Die Kinder sitzen oder liegen unter dem „Himmel“, also unter einem Schwungtuch oder einem anderen Tuch.

„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“:
Das Tuch über den Kindern ruhig halten.

„Meine geliebete Seele, das ist mein Begehren“:
Mit dem Tuch Wellen machen.

„Kommet zuhauf, Psalter und Harfe, wacht auf“:
 Das Tuch anheben und wieder sinken lassen.

„Lasset den Lobgesang hören“:
Das Tuch anheben und wieder sinken lassen.

Komm, ich zeig dir was von Gott – von Margit Zahn

Ursula Starke ist Kirchenmusikerin und Referentin für das Singen mit Kindern im Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Du hast Interesse am Thema „Kinderglaube“?
Du findest weitere Artikel dazu in der Ausgabe 4/24 Was Kinder glauben.

Titelfoto: Passende Bewegungen helfen, sich die Texte langfristig einzuprägen. (Foto: Arnica Mühlendyck)

Literatur

  • 1 Zitat von Yehudi Menuhin
  • 2 https://www.kirchenmusik-ekbo.de/landessing-
  • wartin/baby-psalm-baby-kirchen-lieder
  • 3https://www.ndr.de/kultur/musik/Neurobiologe-Gerald-Huether-ueber-die-heilende-Wirkung-des-Singens,singen276.html
  • 4 Ursula Starke, Text und Musik: in „Menschenkinderlieder 3 (MKL 3)“.

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