Das Stadion – der neue Marktplatz?
Im Gespräch mit Eugen Eckert

Das Stadion – der neue Marktplatz?

Das Stadion – der neue Marktplatz?

Lesezeit: 14 Minuten
Ausgabe 3/23 Sport und Bewegung

Ein Gespräch mit Eugen Eckert, Stadionpfarrer in Frankfurt und persönlicher Referent des EKD-Beauftragten für Kirche und Sport. Außerdem ist er Gründungsmitglied und bis heute Mitglied der Band Habakuk und hat über 2.000 geistliche Lieder geschrieben. Das Gespräch wurde von Arnica Mühlendyck (Verantwortliche Redakteurin im „baugerüst“ seit 2022) im April 2023 via Zoom geführt.

baugerüst: Sie sind der persönliche Referent des EKD-Beauftragten für Kirche und Sport und sind Stadionpfarrer in Frankfurt. Was hat sie auf diesen Weg geführt, warum ausgerechnet Sport?  

Eckert: Ich bin seit meiner Kindheit sportaffin, ich war bei den Pfadfindern, dort haben wir viele Bewegungsspiele gemacht. Außerdem war ich schon von Anfang an ab der E-Jugend bei FSV Frankfurt und habe dort als berüchtigter Linksaußen meine Bahnen gezogen. Als Stadionpfarrer wurde ich berufen, ebenso wie vorher als Gemeinde- und auch als Studentenpfarrer an der Goethe-Universität. Während ich Studentenpfarrer war, fand 2006 die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland statt. Das Waldstadion wurde damals zum WM-Stadion umgebaut. Dabei wurde auch eine Kapelle implementiert, die allerdings zur WM nicht eingeweiht werden konnte, weil sich die UEFA religionsneutral definiert. Während der WM war der Raum zunächst das erweiterte Pressezentrum. Erst am 18. Januar 2007 konnte die Kapelle eingeweiht werden. Bei einer letzten Besprechung vor der Einweihung stellte in der Sitzung der hessen-nassauischen Kirchenleitung jemand die Frage, wer der Presse eigentlich Auskunft über denkbare Veranstaltungen in der Kapelle geben würde. Es zeigte sich, dass man zwar an die Einrichtung und alles damit Zusammenhängende gedacht hatte, aber nicht daran, dass man auch Personal braucht. Der fußballaffine damalige Kirchenpräsident Peter Steinacker, mit dem ich auch in unserer Pfarrermannschaft Fußball spielte, bat mich in einem „Hauruck-Verfahren“ darum, mit einer halben Stelle in der Stadionkapelle zu arbeiten. Drei Dinge haben mich dafür ausgezeichnet: Ich bin Pfarrer, ich bin Musiker und ich bin sportbegeistert. Die Verabredung galt zunächst für ein Jahr, weil ich mir nicht vorstellen konnte, welche Aufgaben vor mir liegen würden. Ich habe daher um eine Evaluation nach einem Jahr gebeten. 

Am Anfang war es wie eine Reise nach Hollywood, denn parallel zum Fußball wurde auch noch American Football gespielt. Jede Woche fand in unserem Stadion ein großes Sportevent statt. Entweder spielte die Eintracht ihr Heimspiel oder es spielte Frankfurt Galaxy. Begabte Spieler aus amerikanischen Highschools wurden nach Deutschland geschickt, um sich hier zu beweisen. Die besten haben dann Profiverträge bekommen. Die Liga in Deutschland war also hochinteressant. Vor allem der Geschäftsführer von Frankfurt Galaxy empfing mich mit offenen Armen. Er meinte, es gäbe immer wieder Menschen, die im Stadion heiraten wollten und auf dem Spielfeld wäre das nicht möglich. Er hat mir viele Möglichkeiten eröffnet, auch, bei den Spielen eine Stadionkollekte zu sammeln. Pfadfinderinnen und Pfadfinder im Rhein-Main-Gebiet haben mich dabei unterstützt und wir konnten so viele soziale Projekte unterstützen, zum Beispiel den ambulanten Kinderhospizdienst. Diese amerikanische Welt, auch mit ihrer Power-Party vor den Spielen, war sehr spannend. Daneben stand dann die nüchterne Bundesliga. 

baugerüst: Was sind Ihre Aufgaben als Stadionpfarrer, was machen Sie?

Eckert: Von Anfang an gehören Amtshandlungen, Kasualien, zu meiner Arbeit. Am Wochenende werde ich zum Beispiel die 214. Taufe in der Stadionkapelle haben. Ich gestalte Traugottesdienste, manchmal mehrere am Tag. Punktuell beerdige ich auch. Zum Beispiel hatte mir Eintracht Frankfurt im März 22 die Trauerfeier für Fußballweltmeister Jürgen Grabowski übertragen, die im Stadion stattfand. 

Umfangreicher aber ist, dass Woche für Woche eine Fülle von Jugendlichen in die Stadionkapelle kommen, weil der Fußball ein interessantes, gesellschaftliches Phänomen ist, bei dem es um Werte geht. Mit Schulklassen, Konfirmanden- und Firmlingsgruppen gestalte ich Unterrichtseinheiten zu Fragen wie: Nach welchen Regeln spielen und leben wir? Wie gehe ich mit begrenzter Spiel- oder Lebenszeit um? Ich verstehe und interpretiere das Fußballspiel als ein Gleichnis oder auch ein Bild für unser Leben. Es gibt einen Anpfiff und einen Abpfiff, wir werden geboren und wir sterben. Wir haben begrenzte Zeit zur Verfügung. Was machen wir daraus? Ich friere Fußballszenen in meiner Bildbetrachtung ein und frage, wie ich mit bestimmten Situationen umgehe. Dazu gehören zum Beispiel Entscheidungen, etwa beim Elfmeter: Will ich antreten? Will ich Verantwortung übernehmen? Bin ich bereit, mich auch Vorwürfen auszusetzen, wenn ich nicht erfolgreich bin? Auf Entscheidungssituationen stoßen wir in unserem Leben immer wieder. Eine andere klassische Situation ist das Foulspiel. Wie gehe ich damit um? Foul ist ein Teil unseres Lebens, der kirchliche Begriff dafür heißt „Sünde“. Es gibt kein Leben ohne Fehler, ohne Foulspiel, ohne Sünde. Aber bin ich bereit, Fehler zuzugeben? Wie gehe ich damit um, dass ich so handle, wie ich handle? Denke ich über die Konsequenzen nach? Seit 2007 waren rund 60.000 Jugendliche zu solchen Schulung mit einem 90-minütigen Unterrichtsprogramm zur Frage „Was kann ich vom Fußball lernen mit Blick auf mein Leben?“ in der Stadionkapelle.  

baugerüst: Das klingt, als würden Sie unglaublich viele junge Menschen damit erreichen.  

Eckert: Das ist tatsächlich der Fall. 2014 habe ich unter dem Titel „Der Heilige Geist ist keine Schwalbe“ ein Buch herausgegeben. In ihm zitiere ich den französischen Nobelpreisträger Albert Camus. Der schrieb: „Was ich schließlich am sichersten über Moral und Verantwortung weiß, verdanke ich dem Fußball.“ Jugendliche sind darüber immer wieder verblüfft, welches Lernen aus Geschichten um den Fußball möglich ist. Meinen Unterricht starte ich häufig mit der Erzählung, wie sich Fußball entwickelt hat. Früher war das ein Wettkampf zwischen zwei Dörfern, die so etwas ähnliches wie einen Ball in der jeweils anderen Dorfmitte platzieren wollten. Aus Gerichtsakten wissen wir, dass es dabei zu erbitterten Kämpfen mit Mord und Totschlag kam. Es brauchte den Schulleiter der englischen Stadt Rugby, der die Erkenntnis hatte, dass ein Spiel zivilisiert nur funktionieren kann, wenn es Regeln gibt. Eine Regel, mit der er zu viel Gewalt eingrenzte, war übrigens, dass man zur gleichen Zeit entweder treten oder schlagen durfte, nicht beides gleichzeitig. Daraus ist zunächst das harte Spiel Rugby entstanden und später als zivilisierte Ableitung der Fußball, wie wir ihn kennen, mit glasklaren Spielregeln. Diese Entwicklung des sportbezogenen Regelsystems vergleiche ich mit der Entwicklung der Menschenrechte, deren Anfang in der Bibel liegt. Auf dem Altar in der Kapelle liegt eine Bibel. Mit den Zehn Geboten oder der „Goldenen Regel“ Jesu enthält sie Spielregeln für unser gesellschaftliches Zusammenleben. Daraus ergeben sich spannende Diskussionen mit den Jugendlichen. 

baugerüst: Ist Sport eine ethische Verpflichtung der Kirche? Was hat Kirche überhaupt mit Sport zu tun? 

Eckert: Sport und Kirche sind beide Wertegemeinschaften, das ist die Schnittstelle zwischen den beiden. Im Sport geht es um Sieg und Niederlage, im Leben um Scheitern oder Glück. Dass sich Kirche mit ihren Wertvorstellungen in den Sport einmischt, finde ich begrüßenswert. Ein Beispiel: Ich engagiere mich seit rund zehn Jahren in einer Stakeholder-Initiative, die sich mit Menschenrechtsfragen im Zusammenhang des Fußballs beschäftigt. Diese hat im Kontext der zurückliegenden Fußballweltmeisterschaft nicht zum Boykott aufgerufen, obwohl es im Blick auf Katar Vieles zu kritisieren gab. Aber wir haben auch wahrgenommen, dass Europäer und Amerikaner eine Menge positiver Impulse zur Verbesserung der Lage einbringen konnten. Auf den Baustellen gab es mit der Zeit Arbeitsverträge und das Kafala-System, die Leibeigenschaft, wurde beendet. Ein Boykott wäre kontraproduktiv gewesen und hätte jenen progressiven Kräften im Land geschadet, die sich für demokratische Entwicklungen stark machten. Und in der Debatte sollten wir auch nicht selbstgerecht sein. Europa hat eine eigene, lange und blutige Geschichte der Demokratieentwicklung. Von einem arabischen Land zu erwarten, dass es die Zeit überspringt und von einem Tag auf den nächsten ein demokratisches Land wird, ist eine Fehleinschätzung. Und: Wer boykottiert, schlägt die Tür zu. Um im Gespräch bleiben zu können, mussten wir in Katar sein.  

Sport hat aber noch viel mehr mit Kirche zu tun: Von Theresa von Avila, einer Frau des Mittelalters, stammt der Satz: „Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.“ Dieser Satz lässt sich biblisch einbetten: Unser Körper ist die Wohnung des Geistes. Paulus sagt im ersten Korintherbrief: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib der Tempel Gottes ist?“ Wenn das so ist, dann habe ich natürlich die Aufgabe, ihn gut zu behandeln. Und dazu gehört, mich im Rahmen meiner Möglichkeiten zu bewegen. 

Und noch ein Gedanke dazu, welche Bedeutung Stadionkapellen haben können. Dieser Gedanke beginnt zunächst beim Gegenteil. Als im katholisch geprägten Mainz vor einigen Jahren ein neues Stadion gebaut wurde, hat die Geschäftsführung von FSV Mainz 05 dem damaligen Kardinal Lehmann angeboten, auch dort eine Kapelle einzurichten. Die Antwort des Kardinals war: „Wir brauchen keine Stadionkapelle, wir haben doch einen Dom.“ Diese Antwort halte ich für falsch. Lehmann war ein kluger Kirchenmann, aber er hat nicht begriffen, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt. Wenn am Sonntag die Glocken läuten, entscheiden inzwischen selbst viele Christen nach einer stressigen Arbeitswoche lieber in Ruhe mit der Familie zu frühstücken oder Gott in der Natur zu suchen.

Dazu kommt, dass wir als Kirche den Kontakt zu vielen Milieus der Gesellschaft verloren haben. Im Fußballstadion kommen Menschen aus allen Milieus zusammen. Hier stoße ich auf Menschen, die glauben oder mit Gott hadern. Hier treffe ich Menschen, denen die Schwelle zu einer Kirche zu hoch ist, aber nicht die in die Stadionkapelle. Sie können mit mir erst einmal über Fußball sprechen und es entwickeln sich zunehmend tiefer gehende Gespräche daraus. Kirchen im Stadion? Früher sind Kirchen immer am Marktplatz gebaut worden, um dort zu sein, wo die Menschen sind. Die heutigen Marktplätze sind Events, sind die Stadien. Wenn wir als Kirche eine Relevanz behalten wollen, dann müssen wir zu diesen neuen Marktplätzen. Das ist meine tiefste Überzeugung und der Grund dafür, warum ich diese Arbeit seit inzwischen 16 Jahren mache. 

baugerüst: Welche besonderen Erlebnisse aus ihrer Arbeit sind ihnen im Kopf geblieben?  

Eckert: Ganz am Anfang wusste niemand, dass es die Kapelle gibt. Es gibt weder einen Glockenturm noch einen Gemeindebrief. Ich wollte die Arbeit bekannt machen und habe ein großes Plakat gestalten lassen, auf dem „Herzlich Willkommen zum Gottesdienst eineinhalb Stunden vor Spielbeginn“ stand. Mit diesem Plakat in den Händen bin ich beim American Football vor 50.000 Zuschauern Stadionrunden gelaufen. Körperlich war das eine riesige Anstrengung. Zwei Mal habe ich die Aktion durchgeführt. Beim letzten Spiel von Frankfurt Galaxy wollten dann 400 Leute zum Gottesdienst kommen, aber es passen nur 50 Menschen in die Kapelle. Also musste ich mehrere Kurzandachten gestalten, damit alle Interessierten dazu kommen konnten. Ein bisschen habe ich mich gefühlt wie vielleicht Paulus, der auf der Agora für das Christentum geworben hat. Den Missionsbegriff habe ich nie gemocht. Aber diese Form der Mission – eine Einladung, von der alle wissen dürfen – hatte einen tollen Effekt. Eintracht Frankfurt wollte das in dieser Form nicht, aber meine Arbeit wurde im Stadionmagazin vorgestellt.

Eine heitere Situation entstand vor einem Länderspiel gegen Argentinien. Ich hatte eine Andacht vorbereitet und die Kerzen bereits angezündet. Plötzlich ging die Tür der Kapelle auf und die halbe Nationalmannschaft kam herein. Ich war erstaunt und begeistert. Denn ich dachte, die Spieler wollen gerne eine Andacht feiern. Timo Hildebrandt, damals Nationaltorhüter, fragte dann aber, wo im Stadion eigentlich die Umkleidekabine sei. Damit war meine Begeisterung schnell wieder dahin. Und mir wurde zunehmend klar: Spieler kommen an Spieltagen gar nicht ins Erdgeschoss der Haupttribüne, wo die Kapelle in Frankfurt platziert ist. Ihr Bereich mit den Umkleideräumen liegt ein Stockwerk tiefer. Die Spieler sollen sich auch auf das Spiel fokussieren. Ich habe höchstens mit Spielern zu tun, wenn sie verletzt oder gesperrt sind oder nicht im Kader stehen.  

baugerüst: Das heißt, sie betreuen die Spieler. Und auch die Fans?  

Eckert: Nein, das zu sagen wäre eine Übertreibung. Manchen begegne ich. Das ist komplett anders bei den Fans. Mit ihnen kommt es zu vielen Begegnungen. Nur 100 Meter von der Kapelle entfernt ist das Eintracht Frankfurt Museum zu finden. Alle Führungen des Museums kommen auch in die Stadionkapelle. Auf diese Weise entdecken Menschen immer wieder die Kapelle als gottesdienstlichen Raum für ihre Feierlichkeit, zum Beispiel Taufen. Aber 80 Prozent der Menschen, mit denen ich zu tun habe, kommen direkt aus der Fangemeinde von Eintracht Frankfurt.  

baugerüst: Sind Sie viel im Kontakt mit anderen Stadionpfarrer:innen? Gibt es überhaupt weitere? 

Fußball und Kirche hängen enger zusammen,
als man auf den ersten Blick sieht.
(Foto: pixabay.com)

Eckert: Insgesamt gibt es fünf Stadionkapellen. Die erste ist 2001 in Gelsenkirchen bei Schalke 04 entstanden. Dort gab es lange einen Pfarrer, bei dem auch die Koordination der Betreuung von Fans mit Behinderung lag. Er war dadurch sogar dem Verwaltungsrat angeschlossen und mein erster Gesprächspartner, als ich seinerzeit für die Kapelle in Frankfurt angefragt wurde. Nach seinem Ruhestand betreut nun ein Gemeindepfarrer diese Kapelle mit. Im Olympiastadion in Berlin entstand die zweite Kapelle, deren Initiator der heutige Militärbischof Dr. Felmberg ist. Er hält weiterhin dort Andachten. Die jüngsten Kapellen sind in Wolfsburg und Leipzig angesiedelt. In Wolfsburg entstand sie nach dem schrecklichen Unfalltod des belgischen Jugendnationalspielers Junior Malunda. Die brasilianischen Mitspieler haben seinerzeit einen Ort für ihr Gebet und Gedenken verlangt. Diese Kapelle, die neben der Umkleidekabine der Wolfsburger Mannschaft liegt, wird kirchlich jedoch nur nach Verabredung mit dem Stadionbetreiber genutzt. Sie ist eher ein Ort der Stille für die Mannschaft. In Leipzig gehören rund 240 Mitglieder zum christlichen FanClub. Sie stehen in der Tradition der Friedensgebetsbewegung und nennen sich die „Holy Bulls“.  Vielen von ihnen bin ich schon in Frankfurt begegnet. Sie reisen zu den Auswärtsspielen ihrer Mannschaft mit einem eigenen großen Reisebus an. Und feiern dann eine Andacht in unserer Stadionkapelle. Beim Pokalfinale 2023 sind besonders auch die Fans von Eintracht Frankfurt und RB Leipzig zum gemeinsamen Ökumenischen Gottesdienst vor dem Spiel in die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin eingeladen. 

baugerüst: Welche Sportarten außer Fußball sind geeignet, um mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten?

Eckert: Jede Sportart eignet sich dafür. Wenn man Sport und Bewegung mit Andacht verbindet, kann man immer wieder spirituell unterstreichen, dass unser Körper der Ort ist, an dem die Liebe und der Geist Gottes wohnen. Auch in Bezug auf die Wertegemeinschaft eignen sich alle Sportarten, denn Regeln gibt es überall. Jugendliche hinterfragen häufig, warum es Regeln geben muss. Das ist ganz einfach: Wenn wir uns nicht verständigen, was gelten soll und was nicht gelten soll, dann können wir nicht miteinander spielen. Das kann ich auch herunterbrechen auf Brettspiele oder Verstecken. Ich kann mich noch an meine Kindheit erinnern: Beim Verstecken haben wir immer gerufen „Eins, zwei, drei, vier Eckstein, alles muss versteckt sein. Hinter mir, vor mir, neben mir und seitwärts gilt es nicht“, weil wir ausschließen wollten, dass sich jemand direkt hinter mir versteckt und dadurch unverzüglich frei schlägt. Selbst für das elementarste Spiel verstehen Kinder, dass Regeln notwendig sind, um das Spiel und dann auch das Leben miteinander zu gestalten.  

baugerüst: Was tun Sie als Referent des EKD-Beauftragten für Kirche und Sport? Lassen sich die beiden Stellen gut kombinieren?  

Eckert: Das lässt sich sehr gut kombinieren. Ich kann das an einem Beispiel erklären. Im nächsten Jahr wird die Europameisterschaft im Fußball in Deutschland stattfinden. Wir haben uns auf EKD-Ebene verständigt, dass an allen zehn Spielorten vor dem ersten Spiel ein ökumenischer Gottesdienst stattfinden soll. Ein solches Konzept kann man nur entwickeln, wenn man bundesweit vernetzt ist. Ein zweites Beispiel: Ich habe versucht, christliche Fangruppen für das uralte, christliche Prinzip der Gastfreundschaft zu begeistern. Der Vorschlag lautet: An allen Austragungsorten gibt es eine bestimmte Anzahl von Quartieren, in denen deutsche Fußballanhänger Fans aus anderen Nationen aufnehmen. Auf die Idee bin ich im Nachgang zu einem Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor einigen Jahren gekommen. Das Spiel der Championsleague musste verschoben werden. Damals haben Dortmunder Fans die englischen Fans eingeladen, bei ihnen zu wohnen, um ihnen die Reisekosten für die verschobene Spielansetzung zu ersparen. Das war eine sagenhafte Geste! Bei aller Rivalität verbindet die Fans, dass der Sport sie begeistert. Die Bibel sagt zum Thema Gastfreundschaft übrigens, dass man oft Engel zu Gast hat, wenn man Fremden die Tür öffnet. 


Du hast Interesse am Thema „Sport in der Kinder- und Jugendarbeit“?
Du findest weitere Artikel dazu in der Ausgabe 3/23 Sport und Bewegung.

Titelbild: Eugen Eckert (Foto: Michael Meier)

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